Hundertwasserhaus Plochingen
Geschichte des Hauses 
Der Meister und das Modell 
Regenturm Plochingen
Foto WerHof







Text aus : Das Plochinger Wohn- und Geschäftshaus mit dem Hundertwasserhof ©1994 Moll Concept Bauträger GmbH, Gruibingen





Schon auf dem Weg nach Wien zum ersten Gespräch – mit den Baugesuchs-plänen in der Tasche und dem Modell im Kofferraum – war dem Team aus Bürgermeister, Bauträger und Architekten eines ganz klar: entweder einen Turm oder keinen Hundertwasser. Denn für den Meister muß ein Gebäude zum Himmel zeigen.
Hundertwasser akzeptierte Planung und Architektur, überarbeitete die Innenfassaden und den Hof nach seinem Gestaltungswillen und setzte den Turm unerbittlich an die statisch schwierigste Stelle. Ein erster Vorgeschmack darauf, daß der Meister Philosoph, Künstler, Architekturdoktor und Handwerker ist, aber nicht Bautechniker oder gar Wirtschaftsprüfer. Die Plochinger Konstrukteure brauchten ihr ganzes können, um das Gewicht des Turms über der Anlieferungszone des Einkaufsmarktes abzuleiten. Die Lösung wurde gefunden. Der Meister erkannte, daß hier Menschen am Werk waren, die ihm die maximal mögliche Freiheit nicht nur auf dem Papier zugestanden hatten. So aktzeptierte er schließlich auch Änderungen, die Architekt und Bauträger mit schwäbischer Hartnäckigkeit im Namen der Bauphysik, der Funktionstüchtigkeit und der Lebensgewohnheiten der Menschen forderten. Zug um Zug wuchs das Vertrauen, wurden die Dialoge fruchtbar für beide Seiten. Schließlich enstand das überarbeitete zweite Modell und eroberte die Herzen der Plochinger. Die goldenen Kugeln an den vier Ecken des Turmes, die Turm-Lisenen, die Vielfalt der Fenster, der Teich und der Pavillon mit dem Grasdach, die bunten, leuchtenden Säulen – all diese Elemente überstanden die weitere Entwicklung. Aber noch waren die Fassaden weiß, die herab-laufenden Keramikbänder blau und die Dächer bunt gemischt eingedeckt.
Von jetzt ab spielte das Modell keine Rolle mehr, der Meister entschied auf der Baustelle. Er sah und gestaltete aus dem spontanen Eindruck heraus. Die Fassaden erhielten unterschiedliche Putzfarben, die blauen Keramikbänder wurden weitgehend rot und erhielten nur hier und da noch eine blaue Einfassung. Aber Hundertwasser zeigte sich auch einsichtig für gestalterische Argumente. Das Dach allerdings mußte der Architekt erst bunt gemischt auslegen wie gewünscht.
Dann jedoch genügte dem Maler Hundertwasser ein Blick, um sich spontan zu revidieren. Und da die Dachpfannen schon in allen Farben geliefert waren, einigte man sich auf verschiedenfarbige Dächer je Haus auf der Schorndorfer Straßenseite des Gebäudes und auf unterschiedliche Muster aus roten und braunen Pfannen für die restlichen Dächer. So entstand aus den ganz normalen Standardfarben von Braas die bezaubernde, lebendige Dachlandschaft, die den bunten Innenfassaden von Hundertwasser ebenso zu Gesicht steht wie der konventionellen Außenfassade.
Hundertwasser wäre nicht der Verfechter der Unregelmäßigkeit,wenn sich sein Modell in präzise 1:50 – Pläne umsetzen ließe. Aus dem Einverständnis mit seinen Gedanken, der Improvisation und der Begeisterung der Handwerker entstand die gebaute Wirklichkeit. Mit all den Schönheitshindernissen, die gewollt oder ungewollt zeigen, daß hier Menschen gearbeitet haben, die sich von einem großen Künstler faszinieren ließen. Als der Meister jedoch verlangte, die weißen Teile der kostbaren Keramiksäulen zu zerschlagen, waren die Arbeiter fassungslos. Der Architekt mußte selbst zum Hammer greifen, um die zu schöne Regelmäßigkeit zu stören. Die Perfektion erhielt die Risse, die dem Neuen die Fremdheit nehmen.