tiltelleiste
Geschichte des Hauses

Das Recht auf eine fröhliche,
ermutigende, fantasieanregende Aussicht

Friedensreich Hundertwasser  Plochingen
Foto WerHof
Von weither, auch im Vorüberfahren sichtbar, lockt der Plochinger Regenturm mit einem märchenhaften Ver- sprechen. Wer sich verlocken läßt, abbiegt vom geplanten Weg, der findet zunächst einen Parkplatz, ohne das Leben in der Innenstadt zu stören. Auch dieser Pragmatismus dank sei der Stadtplanung gehört zum Konzept. Von der Neckarstraße her scheint der Bau auf einem Sockel zu stehen, der dem Verkehr darunter trotzt. Das Versprechen verdichtet sich . Eine Steintreppe, die mit krummen Stufen Benutztsein signalisiert, ein Wasserbecken, einzelne Keramikmuster, fast aus Versehen an die Mauer getupft, ein Durchgang: Der Besucher betritt eine andere neue Welt. Was immer Architektur und Kunstkritik zu sagen haben, wird belanglos vor diesem ersten, überwältigenden Gefühl der Freiheit, vor der Erinnerung an frühe Kindheitstage, als man seine Ideen noch spontan ausdrückte, als die Bilder bunt und die Linien krumm sein durften, als die Fantasie die Bäume in den Himmel versetzte. Wer jetzt ein Buch rauszieht um nachzulesen, wie die Fachwelt Hundertwasser interpretiert, hat nichts verstanden. Wer anfängt darüber nachzudenken, was in seinem Leben zu gerade, starr und einseitig geraten ist, ist dem Verständnis des Meisters ganz nah. In der deutschen Baukultur hat der Innenhof keine Tradition. Mehr noch, er wurde mißbraucht als schäbiger Lichtschacht, als Parkplatz für Autos und Müllcontainer, als traurige Abseite der Fassade. Erst im Zuge der Innenstadtsanierungen der letzten Jahre, wurden Innenhöfe entkernt, bepflanzt und vielleicht auch ein paar Spielgeräte aufgestellt. Kommunikation nicht Kunst oder Architektur war der Leitgedanke dieser Entwicklung. Mit ein paar lustlos schaukelnden Kindern und dem jährlichen Grillfest der Mieter werden diese Projekte dann nur zu oft zum Erfolg erklärt. Auch für Hundertwasser war die geschlossene Welt des Innenhofs der entscheidende Reiz, um das Projekt in Plochingen unterTausenden die ihm jährlich angeboten werden, anzunehmen. Aus seinen Gedanken über die einschneidende Wirkung der Wohnung auf Kreativität, Fantasie, Lebenslust und Lebensmut der Bewohner, hatte er vor Jahren das Fensterrecht formuliert: Jeder Mieter sollte seine Fensterform selbst bestimmen können und das Umfeld bemalen dürfen, soweit sein Arm reicht. Auf dem Heimweg sollte ihm sein Fenster fröhlich entgegenblicken: Da oben, hinter dem roten Sprossenfenster mit der aufgemalten Sonne und der rankenden Pflanze, da wohne ich. Zuhause angekommen, stieß der Mensch jedoch an die Grenzen dieser Idee, denn der Blicknach draußen zeigte ihm die geraden, kalten, rationalen Fassaden seiner Umwelt. Nachdenkend aus dem Fenster zu Blicken, bedeutete die harte Rückführung in eine Welt, in der eine Vernunft ohne Gefühl das Unvernünftigste bewirkt: Mensch und Natur zu zerstören. Diesem Konflikt weicht der Bau in Plochingen aus. Er akzeptiert mit seiner Außenfassade die Gesetze der gewachsenen Umwelt und er bietet im Innenhof aus jedem Blickwinkel die Hundertwasserwelt, die nur ein Grundgesetz kennt: Die Unregelmäßigkeit der Natur und die Freiheit des Menschen, seine Welt im Einklang mit der Natur zu gestalten. Wenig an diesem Innenhof ist so geblieben, wie das erste und das zweite, überarbeitete Modell gezeigt haben. Damals waren die Fassaden weiß und das herabrinnende Wasser symbolisierte unregelmäßige Bänder aus blauer Bruchkeramik. Regen, Wasser, Regentag Hundertwasser liebt das Wasser als ein Element, das unzählige Möglichkeiten in sich birgt, reich an leben und unverzichtbar, für alles,was lebt. Und so entschied er eines Tages, daß die Regenspuren rot werden sollen, von leuchtend hellem Karmesin bis zu dunkelwarmem Purpur. Nur die mächtigen blauen Lisenen des Turms und die Streben, die den Bau zu halten scheinen, deuten noch auf den ersten Blick die Idee des Regenturms. Auch der Kontrast zu den weißen Fassaden erschien dem Künstler im nachhinein zu eintönig und zu grell. Jetzt geben sanfte erdnahe Pastelltöne jedem Haus seine eigene Farbigkeit, vor der sich die Leuchtkraft der Bänder und Säulen entfaltet.




Text aus : Das Plochinger Wohn- und Geschäftshaus mit dem Hundertwasserhof ©1994 Moll Concept Bauträger GmbH, Gruibingen